Hochqualifizierte und effiziente Lösungen zur Abwasseraufbereitung sollten ein guter Grund für ein reines Gewissen sein. Aber das Risiko, falsche oder keine Unterlagen für diese Anlagen an Bord zu haben und sich in Folge mit Strafzahlungen und einem wesentlich geringeren Verkehrswert des Schiffes auseinanderzusetzen, sollte man nicht unterschätzen. Ein Leitfaden für Eigner und Werften zu IMO-Zertifikaten.
HERAUSFORDERUNG
Die folgende Diskussion soll weder eine generelle Diskussion über die Entwicklung von Standards in der maritimen Industrie noch über technische Aspekte oder Leistungsfähigkeiten von Abwasseraufbereitungsanlagen im Einzelnen werden. Es ist uns sehr wohl bewusst, dass einige Abwasseraufbereitungsanlagen zwar an Bord eingebaut aber niemals in Betrieb genommen werden. Trotzdem ist es aus unserer Sicht ein absolutes Muss, die maritime Umwelt mit passenden Maßnahmen zu schützen.
Internationale Standards sind oft nur der kleinstmögliche Kompromiss für technische Verfahrensweisen. Jedoch im Fall der IMO mit seinen MEPC Standards für Abwasseraufbereitungsanlagen blicken wir auf eine lange Entwicklungsgeschichte zurück. Dieses stellt maritime Abwasserbehandlungsanlagen inzwischen teilweise vor die Herausforderung, so effizient und effektiv zu sein wie landgestützte Anlagen.
Der Eine oder Andere wird denken, dass damit weit über das Ziel hinausgeschossen wird. Doch was sind internationale Regularien wert, wenn Hersteller sie ignorieren oder, noch schlimmer, wenn sie versuchen, die Behörden und Kunden zu manipulieren, nur um mehr Profit zu erreichen? Mit einem solchen Ansatz kann doch am Ende Niemand gewinnen.
Tatsache ist, dass fast alle Personen, die mit der maritimen Abwasseraufbereitung vertraut sind, die aktuellen Zertifizierungsanforderungen kennen, aber erstaunlicherweise verfügen nur wenige über die Kompetenz, ein gültiges Zertifikat zu erkennen. Im Nachfolgenden sind zwei Abbildungen von Zertifikaten zu finden, die das typische Dilemma demonstrieren.
WIE SIEHT EIN IMO-ZERTIFIKAT AUS?
Das erste Zertifikat zeigt ein offizielles IMO-Zertifikat gemäß MEPC.227 (64) für unsere
HL-Cont Plus 10. Das zweite Zertifikat ist eine Typgenehmigung, welches sich auf die gleiche Anlage bezieht, jedoch in einem vollkommen anderen Kontext benötigt wird und auch ganz andere Aspekte der Anlage nachweist. Es sind sehr viele verschiedene Arten von offiziellen Typgenehmigungen vorstellbar, aber keins davon kann ein IMO-Zertifikat ersetzen.
WORIN BESTEHT DER UNTERSCHIED?
Auf den ersten Blick halten viele die zweite Abbildung für das offiziellere Dokument und würden es automatisch für ein IMO-Zertifikat halten.
Tatsächlich erklären Anbieter, dass sie IMO-zertifiziert sind, obwohl sie genau wissen, dass sie nur eine Typgenehmigung in Händen halten. Im offiziellen Zertifikat weist der Anbieter die Ein- und Ablaufwerte sowie Schock- und Klimawiderstand nach. Die typische Typgenehmigung basiert auf eigenen Dokumente des Herstellers und erklärt letztendlich nur, dass der Anbieter die richtigen Vorschriften zu Grunde gelegt hat, weist aber damit nicht die Ergebnisse nach.
Es gibt einfach zu viele Eigner, Designer und Behörden, die mit diesen Unterschieden nicht vertraut sind. Man nimmt an, über eine IMO-konforme Anlage zu sprechen, aber das ist sehr häufig schlichtweg falsch.
Es gibt eine einfache Möglichkeit zu überprüfen, ob eine Anlage IMO-zertifiziert ist. Man muss noch nicht einmal das Zertifikat selbst überprüfen. Die IMO hat in GISIS (Global Integrated Shipping Information System) alle Anbieter aufgeführt, die nach gewissen Standards (MEPC. 159(55), .227(64) oder 227(64)-special area) zertifiziert sind.
Es sind mehr oder weniger alle relevanten Anbieter aufgeführt, aber viele von ihnen haben nicht den erwarteten Eintrag in dieser Liste, was letztendlich bedeutet, diese Anbieter arbeiten mit (einfachen) Typgenehmigungen anstatt des erwarteten echten IMO-Zertifikates.
ZUSAMMENFASSUNG
Viele Menschen und Behörden sind sich des oben beschriebenen Dilemmas nicht bewusst. Was aber noch schlimmer ist: Es gibt viele Beteiligte, die das genau wissen und ihren Nutzen daraus ziehen. Was ist so schlimm daran, etwas anderes als ein IMO-Zertifikat zu benutzen? Es spart viel Geld und öffnet Märkte, ohne Standards nachweisen zu müssen. Gibt es Folgen? Zurzeit so gut wie keine. Aber das wird sich hoffentlich bald ändern. Es bleibt die Frage, wer die Konsequenzen daraus trägt? Natürlich der Eigner. Er wird Strafen zahlen und einen geringeren Wiederverkaufswert in Kauf nehmen müssen.